Klimaliste

Deutschland

Redaktioneller Hinweis: Unsere Blogbeiträge sind Meinungen und Anregungen einzelner Mitglieder und nicht die abgestimmte Haltung der Partei Klimaliste.

Die Ukraine, die Welt und die Flüchtenden: 3 Meinungen unserer Mitglieder

Vorbemerkung: Putins Angriff auf die Ukraine hat die größte innereuropäische Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Aktuell sind bereits zwei Millionen Menschen vor dem Krieg in Nachbarländer und den Rest der EU geflohen.

Möglich wird dies durch die Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie, einer Vorgabe der EU, die nach den Kriegen auf dem Balkan eingeführt wurde. Menschen aus der Ukraine dürfen laut der Richtlinie bis zu drei Jahre in der EU bleiben, sich frei bewegen und sich ihren Wohnort aussuchen. Sie dürfen arbeiten, können sich krankenversichern und ihre Kinder in Kindergarten oder Schule schicken. So weit, so menschlich. Für Diskussionen sorgt allerdings, dass die Massenzustrom-Richtlinie im Jahr 2015 nicht angewendet wurde. Dazu kommt das Verhalten der Grenzbeamten in Polen, die laut Medienberichten Flüchtlinge aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert und ihnen die Einreise verwehrt haben. Die Mitglieder der Klimaliste Deutschland setzen sich für alle Flüchtenden ein und wenden sich gegen eine Zwei-Klassen-Politik. Das wird in ihren Beiträgen deutlich, von denen wir drei hier zusammengestellt haben. (Uwe)

Geflüchtete erster Klasse (Johanna)

Nachdem die Bomben in der Ukraine flogen, entsprang eine Welle der Solidarität für deren Opfer: Im Café wird das Trinkgeld für humanitäre Hilfe gespendet und das Verkehrsunternehmen lässt ukrainische Geflüchtete kostenlos mitfahren. Und doch bleibt ein bitterer Beigeschmack: Was ist mit all den anderen Geflüchteten?

2015 prägte unsere Kanzlerin den Satz „Wir schaffen das“. Vier Jahre später macht sich die Kapitänin Carola Rackete mit ihrer „Sea Watch“ in Lampedusa  nach offiziellen Angaben strafbar, weil sie libysche Geflüchtete aus der Seenot rettet und an Land bringt. Nicht nur die Stimmung gegenüber Geflüchteten unterschiedlicher Herkunft, auch das Handeln der EU entspricht im wahrsten Sinne des Wortes völlig unterschiedlichen Welten. Warum müssen Geflüchtete aus Belarus den ganzen Winter über vor der polnischen Grenze ausharren, während den Ukrainern der rote Teppich ausgerollt wird? Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Liegt es an Religion oder Hautfarbe? Leben wir immer noch in kolonialen und rassistischen Strukturen?

Auf welche Konflikte wir auch blicken, durch die Klimakrise werden sie noch verschärft. Wird die Erderhitzung nicht rechtzeitig begrenzt, werden Hunderte von Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Doch auch sieben Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen sind wir von einer europäischen Lösung meilenweit entfernt. Wir aus der westlichen Welt sind  Hauptverursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen und die größten Profiteure aus dem Abbau natürlicher Ressourcen. Es ist daher unsere ureigene Verantwortung, Klimagerechtigkeit herzustellen und den Opfern der Klimakrise Schutz zu gewähren. Ja, der rote Teppich muss ausgerollt werden – für alle, denen das Klima die Heimat raubt, für alle Unterdrückten, für alle Opfer von Kriegen.

Flüchtling ist nicht Flüchtling. Die rassistische Selektion Europas (Puia)

In der Ukraine werden angeblich die westlichen Werte von Menschenrechten und Demokratie verteidigt. Doch unsere westlichen Werte enden da, wo der europäische Rassismus anfängt. Anscheinend ist Krieg nicht Krieg und Flüchtling nicht Flüchtling. Dies belegt der höchst freizügige und von jeglichen Bedenken befreite Umgang der EU mit den ukrainischen Flüchtlingen. Ein wahres Wunder scheint geschehen zu sein, betrachtet man zum Vergleich das schwerfällige und zurückhaltende Verhalten der EU in den vergangenen sechs Jahren  gegenüber den Flüchtlingen im Mittelmeer und an den Grenzen zu Griechenland.

Kinder, Frauen und Männer werden in den Lagern in Griechenland über Monate und Jahre unter hygienisch unmenschlichen Bedingunge, ohne Zugang zu Bildung, ohne Sicherheit und ohne eine Chance auf Hoffnung auf europäischem Boden festgehalten.

Es war und ist von der EU politisch gewollt diese 10.000 bis 20.000 Flüchtlinge über Jahre hinzuhalten und nicht aufzunehmen und zu verteilen. Nichts anderes beweist der momentan sorglose und freizügige Umgang der EU mit den mittlerweile zwei Millionen (Stand 12.3.22) Flüchtlingen aus der Ukraine.

Die EU beweist: Menschenrechte sind nicht universell

Menschenrechte sind anscheinend nicht Menschenrechte. Ein weiteres Mal beweist Europa seine Doppelmoral in der Frage vermeintlich universeller Werte. Der Umgang mit der ukrainischen Flüchtlingskrise legt offen, dass die Rechte für Menschen in der EU unterschiedlich gelten und dass durchaus anhand von Herkunft, Aussehen und Religion unterschieden wird.

Krieg ist nicht Krieg, das zeigt unser öffentlicher Umgang mit dem Ukrainekrieg. Es gibt keinen gerechten oder sauberen Krieg und Krieg ist immer Leid. Doch dies scheint nicht für Kriege zu gelten, die der Westen unter Führung der USA führt. Unsere öffentliche Betroffenheit und Empörung über den Überfallskrieg Putins und dessen vermeintliche Kriegsverbrechen scheint um ein gewaltiges Maß größer als die Verbrechen und das Leid, welche der Westen und die USA in Afghanistan, im Irak und in Syrien begangen haben. Diese Doppelmoral spiegelt sich vor allem im Umgang mit Julian Assange und Edward Snowden wieder.

Daher haben wir eigentlich so lange kein Recht, Russland für seine Kriegsverbrechen zu verurteilen, solange wir die Kriegsverbrechen, die die USA, nachgewiesen durch Wikileaks begangen haben, ungestraft dulden.

Medien und ihre rassistische Berichterstattung

Rassismus ist ein fest in unserer Gesellschaft verankertes Problem, trotz vermeintlicher „Wokeness“ und medial zur Schau getragener „Diversität“. Die mediale und öffentliche Berichterstattung zum Ukrainekrieg stellt dies vorbildlich unter Beweis. Die Medien leuchten die dramatischen Einzelschicksale der Ukrainer:innen aus und führen uns vor Augen, welche Dramatik und Leid (jeder) Krieg zur Folge hat.

Anhand dieser medialen Berichterstattung wird einmal mehr deutlich, wie sich die Bilder und Berichte zu den Flüchtlingsbewegungen aus Syrien und Afgahnistan unterscheiden. Hier wurden uns nicht die Menschen gezeigt, sondern die Menschen als Masse, welche in großen Gruppen versuchen, nach Europa zu kommen. Die anonymisierten Flüchtlinge als Masse frei jeglicher Personalität wurden medial stets als Problem behandelt und visuell als Bedrohung inszeniert. Der Flüchtling als das Fremde, anderes aussehende, der in der Masse jegliche Menschlichkeit verloren hatte. So wundert es kaum, dass wir in Europa die menschenverachtende Internierung der Geflüchteten in den griechischen Lagern so lange geduldet haben und immer noch dulden. Dass wir dulden, dass es Menschen zweiter Klasse gibt, die es anscheinend nicht „verdient“ haben, menschlich behandelt zu werden und dass an der Grenze nach Europa knallharte Selektion stattfindet. 

Unser unterschiedlicher Umgang mit den Menschen, die fliehen, verrät mehr über uns als über diese Menschen.

Jeder Mensch ist gleich, jeder Mensch hat das Recht auf ein würdevolles Leben in Frieden (Patrizia)

„Es geht um Krieg in Europa, um Kriegsflüchtlinge. Die Situation ist eine völlig andere als 2015. Wir haben erstmals europaweit den Schulterschluss geschafft, dass alle Europäischen Staaten aufnehmen…“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Bericht aus Berlin am 6. März. Die Ministerin forderte „eine schnelle unbürokratische Hilfe für Kriegsflüchtlinge“,  die ja zweifelsfrei nötig und dringend wünschenswert ist.

Allerdings drängt sich die Frage auf, was die Menschen die 2015 geflohen sind, von den heutigen Kriegsflüchtlingen unterscheidet. Einige, die sich damals engagiert haben, haben noch die Kriegsverletzungen der Menschen im Kopf. Die Horrorgeschichten der Menschen, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind. Menschen, die verzweifelt eine Perspektive für ihre Kinder gesucht haben. Und ja, sie haben sie gefunden. Und sie sind dankbar dafür. Aber sie sind am Ende nur Einzelfälle, denn nur eine verschwindende Anzahl Flüchtende dieser Welt hatten so viel Glück.

Wer die Nachrichten verfolgt, liest von Angriffen des türkischen und des US-Militärs in Syrien und Irak, bei denen Zivilisten ums Leben kommen. Wen wundert es, dass viele Flüchtende, die an der polnisch-belarussischen Grenze festsitzen, aus diesen Ländern kommen?

Der einzig erkennbare Unterschied ist, dass den Menschen aus Drittstaaten, die in Not sind, nur der illegale Weg bleibt, wenn sie flüchten, um am Leben zu bleiben. Für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge ändert sich das, denn die ukrainischen „Vertriebenen“ wie sich das BMI ausdrückt, dürfen glücklicherweise ohne langwierige Asylanträge, Abschiebegefahr und nervenzehrenden Prozessen einreisen. Dies liegt natürlich auch daran, dass ukrainische Staatsangehörige seit 2017 mit einem biometrischen Pass nach EU-Recht für einen Kurzaufenthalt visafrei einreisen können. Ukrainische Staatsangehörige ohne biometrischen Pass benötigen demgegenüber ein Visum für die Einreise in die EU.

Man muss dabei aber den Beschluss des Europäischen Rates zur Aufnahme von Vertriebenen nach Artikel 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 beachten, der im März 2022 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes getroffen wurde.

Mit Inkrafttreten kommt Paragraf 24 des Aufenthaltgesetzes (AufenthG) für den vom Ratsbeschluss zwingend umfassten Personenkreis unmittelbar zur Anwendung. Das heißt,  dass ab diesem Zeitpunkt keine Aufenthaltserlaubnisse mehr beantragt werden müssen. Damit werden ukrainische Staatsangehörige und deren Familienangehörige geschützt. 

Staatenlose oder Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine müssen jedoch nachweisen, dass sie sich vor dem 24. Februar auf der Grundlage eines nach ukrainischem Recht erteilten Aufenthaltstitels rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben und nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren. 

Am 7. März ist eine Verordnung des BMI in Kraft getreten, die die legale Einreise und den Aufenthalt ukrainischer Staatsangehöriger und anderer Drittstaatsangehöriger im Zusammenhang mit der kriegerischen Auseinandersetzung unbürokratisch ermöglicht. Damit müssen Vertriebene ukrainische Staatsangehörige kein Asylverfahren durchlaufen.

Die Solidarität mit den ukrainischen Kriegsflüchtlingen ist bewundernswert. Menschen, die vor dem Kriegsgrauen fliehen, bedürfen besonderer Zuwendung und Hilfe. Daher ist es umso wichtiger, dass man den Menschen angemessenen Schutz und eine medizinsche Versorgung zukommen lässt. 

Es ist erschreckend, dass an Europas Grenzen Menschen ertrinken, frieren und hungern. Menschen, die vor dem Krieg, oder Elend geflüchtet sind, werden mitten aus dem Leben in Europa und Deutschland abgeschoben, weil Herr Seehofer Geburtstag hat oder die Sonne hoch am Himmel steht. Man stürzt diese Menschen in großes Elend. Nur um ein Exempel zu statuieren, kann man keinen unschuldigen Menschen Leid zufügen. Das verbietet alleine schon das Grundgesetz. 

Es wäre ein Leichtes gewesen, Flüchtenden aus Drittländern eine legale Einreise zu ermöglichen und auf diese Weise viel Leid abzuwenden. Man sieht es am Beispiel Ukraine. Kriegsflüchtlinge aus aller Welt benötigen immer jede Unterstützung, denn sie alle fliehen immer vor unvorstellbarem Leid und Grauen.

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