Klimaliste

Deutschland

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Kombinierte Landnutzung Agrar, Agrophotovoltaik und Agroforst

Der Trend hinzu Agrophotovoltaik scheint erstmal begrüßenswert aus vielen Gründen.

Um notwendige Ausbauziele beim Solarstrom zu erreichen, wird in den kommenden Jahren diese Möglichkeit neben Dachanlage und herkömmlichen Freilandanlagen in großem Maßstab zum Zuge kommen (müssen).
Allerdings muss jetzt dringend eine Weichenstellung erfolgen, welche nicht ein Thema isoliert betrachtet. Wie wir aus den Entwicklungen beim Biogas wissen, kann hier erneut aus Unbedachtheit ein „Goldrausch“ einsetzen mit direkten und indirekten negativen ökologischen und finanziellen Folgen und evtl. auch klima-problematischen Effekten.
Neben den individuellen Rechten einer Landnutzung, die sich aus dem Eigentum ergeben, bestehen auch immer mehr gesellschaftliche gemeinwohlorientierte Ansprüche an Nutzung, welche gerade heute auch zu großen Teilen als Notwendigkeiten und Erfordernisse einzuordnen sind.

Agrophotovoltaik (und Freilandanlagen) gehören natürlich auch dazu.Sie helfen beim notwendigen und zügigen Ausbau der erneuerbaren Energie. Dadurch kann eine erhebliche Menge an CO2-Emmissionen eingespart und die zukünftige Energieversorgung sichergestellt werden.

Im Vergleich zu bewirtschaftetem Grün- oder Ackerland ist oft ein Vorteil im Bereich der Biodiversität erkennbar.

Die Ertragsdiversivizierung durch Photovoltaik ist als einkommens-stabilisiernder Faktor für die Landwirtschaft begrüßenswert, da Missernten in Zukunft in steigender Intensität und Häufigkeit zu erwarten sind. Allerdings sollte hier mitgedacht werden, dass die zukünftige Entwicklung der Vergütung durch den hoffentlich rasanten Ausbau Unsicherheiten unterliegt und nicht mehr die Sicherheit der letzten Jahre bietet.

Schon jetzt werden durch Investmentgruppen Pachtbeträge angeboten, welche die Dynamik beim Biogas übertreffen. Leider ist dadurch bereits jetzt schon eine Konkurrenzsituation erkennbar, nämlich zu einer weiteren zukünftig notwendigen Landnutzung, dem flächendeckenden Einsatz von Agroforstsystemen.
Diese haben ein immenses Potential, der Atmosphäre CO² zu entziehen und zu speichern. Diese Aufgabe ist in ihrer Notwendigkeit gleichzusetzen mit der durch Photovoltaik erzielbaren Einsparung an CO²-Emmissionen. Keine bisher angedachte technische Lösung bietet in möglichem Umfang, Umweltverträglichkeit, Sicherheit bei gleichzeitig im Vergleich verschwindend geringem Energie- und Investitionseinsatz eine annehmbare Perspektive. Wenn die Verkohlung der zu erntenden Gehölze in z.B. Nahwärmenetzen und anschließende Ausbringung derselben auf Agrarflächen zur langfristigen CO²-Speicherung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit mit einberechnet wird, wird der Abstand noch verstärkt und wir beginnen, in notwendigen CO²-Kreisläufen zu denken, an deren Ende eine Speicherung mit weiteren Synergieeffekten steht.
(zu Pyrolyse s. Arbeiten von Daniel Fischer, DEFAF, zur CO²-Speicherung u.a. https://www.spektrum.de/news/negative-emissionen-wie-man-kohlendioxid-wieder-einfaengt/1944115?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE)

Ein weiterer gleichzusetzender Faktor ist die Förderung der Biodiversität. Der erwähnte Vorteil durch Agrophotovoltaik und Freilandanlagen ist in Umfang und Ausprägung allerdings in keinster Weise auf Augenhöhe des Problems.

Auch hier punktet Agroforst, bei durchdachter spezifischer, regionaler, überregionaler Planung mit dem notwendigen Potential.

Um die schon existierende und erwartbare Klimaerwärmung in ihren Folgen abzumildern, ist eine flächendeckende zukünftige Landnutzung anzustreben, welche eine kühlende Funktion erfüllt.
Agroforst mit den vielfältigen Auswirkungen erfüllt diese Aufgabe bestmöglich.
Photovoltaikanlagen vermögen annehmbar diese Aufgabe nicht in diesem Maße, eher im Gegenteil.
Im Sommer bei Sonneneinstrahlung entstehen hohe aufsteigende Warmluftsäulen und im Winter verhindern die gedeckten Flächen das tiefere Eindringen des Frostes in die Bodenschichten.
Hier fehlen wissenschaftliche Untersuchungen zur Entwicklung der Bodentemperaturen und sollten dringend durchgeführt werden um eine belastbare Aussage über erwärmende oder kühlende Effekte von Photovoltaikanlage treffen zu können.
Für einzelne Anlagen bis sagen wir mal 5 MW mögen solche Effekte vernachlässigbar sein. Für Anlagengrößen, wie sie zur Zeit beginnen, sich zu häufen, sind sie es nicht.
Wenn eine massive Ausbaudynamik einsetzt und es erwartbar regional und überregional zu hoher Dichte solcher Anlagen kommt, sind negative klimatische Effekte nicht auszuschließen, eher wahrscheinlich.

Um das zu verdeutlichen, betrachten wir exemplarisch die Region der Altmark.
Durch bestehende und geplante Anbindungen im Stromnetz ist eine Struktur vorhanden, welche große Mengen Strom abnehmen kann. Gleichzeitig gibt es auf einem großen Teil der landwirtschaftlichen Fläche leichte Sandböden oder gar Grenzertragsstandorte, bei gleichzeitig unterdurchschnittlichem Niederschlag. Erste Anzeichen von Versteppung sind bereits vorhanden, die Wälder in einem katastrophalen Zustand.
Es kann davon ausgegangen werden, dass hier schnell eine große Dichte an Anlagen entstehen wird.

Die klimarelevanten Eigenschaften von Photovoltaikanlagen könnten in heißen Sommern mit wenig oder keinen Niederschlägen ggf. die Versteppung befördern. Bei Agroforst ist es genau umgekehrt.

Als 2. Beispiel könnte ein anderes Extrem herangezogen werden, das Ahrtal.
Berechtigter Weise wird hier ein „Wiederaufbau mit Solar“ gefordert.
Überhört wird dabei leider meist der Ruf nach Agroforst im Keylinedesign. Diese Möglichkeit hat das größte Potential Niederschläge zu speichern und zukünftig die bekannten Ereignisse zumindest abzumildern. Kontakte zu den bekannten Fachleuten bestehen bereits.

Es mag der Eindruck entstehen, die beiden ergänzenden Landnutzungsformen sollen hier gegeneinander ausgespielt werden. Nein, wenn wir beide Systeme gekonnt kombinieren, kann auch hier eine winwin-Situation entstehen.
Durch eine Kombination aus beiden Mehrfachnutzungen (AgriPV und Agroforst), welche die hier umrissenen sektorübergreifenden gesellschaftlichen Aufgaben und Erfordernisse in sinnvoller Weise bedienen und einzelne Nachteile dadurch aufheben, kann ohne Schaden und mit großem Gewinn eine gesellschaftlich akzeptierte Strukturänderung in der landwirtschaftlichen Fläche angestoßen werden, und Gehölze in der Landschaft-Agroforstwirtschaft endlich mit in den Vordergrund gerückt werden, wo sie hingehören.
Als Diskussionsgrundlage könnte hier mindestens 2Gehölzstreifen im Wechsel mit einer Photovoltaikreihe angeführt werden.

Allgemein betrachtet, sollten aber vor allem die Möglichkeiten von Photovoltaikanlagen auf Dächern/Fassaden viel stärker im Fokus stehen, bis hin zu Kleinstanlagen für Eigenverbrauch mit unbürokratischer Einspeisung von Überschüssen (Zähler dreht Rückwärts).
Diese Anlagen ermöglichen einen geringeren Einsatz von Rohstoffen wie z.B. Aluminium und Kupfer pro kWh. Beide Rohstoffe sind nicht unbegrenzt verfügbar, problematisch und alles andere als umweltschonend in der Gewinnung.
In der Vergangenheit sind bei beiden bereits durch unterschiedliche Faktoren massive Schwankungen beim Preis und überhaupt bei der Verfügbarkeit zu beobachten gewesen, z.B. auch, als kurzzeitig der Boom bei Freilandanlagen in Deutschland herrschte.
Bei der angestrebten und notwendigen Ausbaugeschwindigkeit, kann dieses „Detail“ den ökologischen Fußabdruck der Energiewende verschlechtern und /oder zum Dauerbremsschuh werden.
Da global die gleichen Rohstoffe zur Umsetzung der Pariser Ziele benötigt werden ist hier höchste Sparsamkeit geboten, nicht zuletzt aus Gründen der Klimagerechtigkeit.
Keinesfalls dürfen wir weiter in Situationen verharren, wo der reiche Westen durch sein Gebaren dem globalen Süden den Zugang zu Rohstoffen erschwert oder unmöglich macht.
Als weiterer Aspekt der Klimagerechtigkeit muss auch das System der „fliegenden Flüsse“ betrachtet werden, welches unter Anderem durch das „Recyclen von Niederschlägen“ bedient wird, durch flächigen Einsatz von Agroforstwirtschaft profitieren wird und regionale und überregionale künftige Dürren und Versteppungen abmildern kann.

Wenn wir nun zulassen, dass auf landwirtschaftlichen Flächen Photovoltaikanlagen entstehen, wird es zu noch stärkeren Preisverschiebungen bei der Landpacht kommen als durch den Boom der Biogasanlagen. Dies ist vorhersehbar, der Verdienst geht in die Taschen der Landbesitzenden (mittlerweile immer öfter fachfremde Kapitalgesellschaften/Konzerne),

das Höfesterben wird forciert durch den Umstand, dass Betriebe sich die Pacht nicht mehr leisten können.

Sehenden Auges diese Situation zu schaffen, ist nicht akzeptabel.
Kombinieren wir die Genehmigung für Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen mit der Bedingung der Kombination mit Agroforst, werden viele gleichwertige Notwendigkeiten bedient, unabhängig davon, wie mächtig der Lobbystatus jeweils ist.Auch dies ist eine logische, notwendige und gesellschaftlich geforderte Neuausrichtung für eine nachhaltige und zukunftsfähige Politik.

Dieser Umstand kann in der Folge dafür sorgen, dass die nötige Infrastruktur für großflächigen Einsatz von Agroforstwirtschaft entsteht – Baumschulen, Pflanz- und Erntetechnik, Pyrolyseheizkraftwerke mit Pflanzenkohlegewinnung usw.
Der Wert und die Notwendigkeit der CO²-speicherung, gewonnen durch Entzug aus der Atmosphäre, wird anerkannt, wertgeschätzt und als gesellschaftliche Aufgabe auch mittelfristig vergütbar werden (müssen) und in Kombination mit Agriphotovoltaik fast überall dort zum Einsatz kommen können, wo sinnvolle Netzanbindungsmöglichkeiten gegeben sind, begleitet durch Mitspracherecht der Regionen und tangierten Ortschaften.
CO²Einsparung, Hand in Hand mit CO² Entzug aus der Atmosphäre und Speicherung, gemeinsam mit Naturschutz zur Förderung der Biodiversität mit landschaftskühlendem Effekt – das ist die Aufgabe der nächsten Zukunft. Alles andere können wir uns nicht mehr leisten, die Zeit rennt uns davon.
Das ist einfache Mathematik.
Im Vordergrund sollte ungeachtet trotzdem die Einsparung von Energie stehen, sowie der Photovoltaikausbau auf Dächern und an Fassaden.

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